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Was hat Sie denn nach Löbau
gebracht?
Nachdem ich das Buch geschrie-
ben habe organisiert der Verlag
dann immer, dass ich bei irgend-
welchen Gelegenheiten das Buch
vorstelle. Das sind natürlich im
Kern immer politische Gesprä-
che. Eigentlich möchte der Ver-
lag immer, dass ich durch die
Gegend fahre und aus dem Buch
vorlese. Das mache ich aber nicht.
Das halte ich bei Sachbüchern
für völlig daneben, was anderes
wäre Belletristik, aber die schrei-
be ich ja nicht. Deshalb sage ich
immer wenn, dann muss man
ein Gespräch führen und dabei
kann man ernsthafte politische
Themen anschneiden, von der
Krise in der gegenwärtig die Welt
steckt, auch die EU steckt, auch
Deutschland steckt, die Flücht-
lingsfragen, die Rentenfragen, die
Armut von Kindern und gleichzei-
tig kann ich auch ein paar per-
sönliche und paar unterhaltende
Momente mit einbringen, sonst
wird es ja auch zu langweilig.
Sie hatte ja heute mal angespro-
chen, die angespannte Lage in
der Weltpolitik. Ein Thema ist für
mich recht interessant, was von
vielen unserer Kunden, Unter-
nehmern hier in der Region,
immer wieder angeschnitten
wird, die angespannte Lage mit
Russland, das Export-Embargo,
was ja gerade auch hier für die
sächsischen Unternehmen, die
eine lange Tradition haben zur
russischen Wirtschaft, derzeit
eine sehr große Problematik
darstellt.
Das war ein schwerwiegender
Fehler man hätte die Sanktionen
der EU gegen Russland niemals
beschließen dürfen. Damals hat-
te die amerikanische Administ-
ration so einen Druck gemacht
und sie haben dem Druck nach-
gegeben, anstatt sich dagegen
zu wehren. Die Amis kostet das
gar nichts, dieses Embargo, aber
unsere Wirtschaft kostet das viel.
Ich kenne sogar mittelständische
Unternehmen die stehen kurz vor
dem Aus. Ganz abgesehen davon,
hätten wir von Anfang an, auch
im Interesse der Ukraine, vermit-
teln müssen. Das wär die einzige
Lösung gewesen. Auf Sanktionen
reagiert ja nun auch wieder Russ-
land und Russland ist eine ato-
mare Weltmacht. Wir sehen jetzt
die Rolle von Russland in Syrien.
Auf der anderen Seite ohne Russ-
land wäre das wichtige Abkom-
men mit dem Iran nie zustande
gekommen, das muss man auch
sehen. Und deshalb, das ganze
Verhalten ist wirklich grotten-
falsch, kann ich nur sagen. Jetzt
verbündet der sich mit Erdogan,
an dem ich viel Kritik habe, auch
gegen die EU. Weil er natürlich
die EU nicht mehr leiden kann,
die hat ja Sanktionen gegen ihn
beschlossen. Also das ist alles
ein Prozess, den man stoppen
muss. Wir müssen die Sanktionen
gegen Russland beenden und
eine Vermittlerrolle spielen, auch
im Interesse der Ukraine.
Eine weitere Frage: Welche Prä-
senz sehen sie für die Linke in
Sachsen. Wir sind ja jetzt hier in
Löbau, ich glaube bei der letz-
ten Wahl waren es knapp 20
% hier in Löbau oder auch im
angrenzenden Landkreis Baut-
zen.
Also ich glaube, dass die „Die
Linke“ in Sachsen gute Chancen
hat, wenn sie erstens begreift,
dass wir nicht mehr die Rolle der
Pretesk-Partei? (Protestpartei) so
spielen, wie wir sie früher spielen
konnten, das liegt einfach an den
geänderten Zuständen. Ich sag´s
ja, wir haben schon mitregiert in
Mecklenburg-Vorpommern. Wir
haben mitregiert in Berlin, wir
regieren zurzeit mit in Branden-
burg und stellen in Thüringen
sogar den Ministerpräsidenten,
da giltst du irgendwie als eta-
bliert, das kann uns ja stören,
weil wir sozial ja immer noch die
schärfsten Proteste organisieren.
Übrigens im Unterschied zur AfD,
die ja ein asoziales Programm
hat, was Steuern und andere Din-
ge betrifft. Aber das ist so, wenn
man das weiß, muss man sagen,
hier in Sachsen spielen wir eine
andere Rolle. Hier waren wir ja
immer bisher in Opposition, das
kann man natürlich auch ausfah-
ren. Gleichzeitig muss man sich
auch um neue Wählerschichten
kümmern. Wir müssen für die
armen Teile der Bevölkerung
da sein, aber wir müssen auch
für die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer da sein und wir
müssen für die Mitte der Gesell-
schaft da sein, also auch für die
Lehrerinnen und Lehrer, auch
für die Polizistinnen und Polizis-
ten und auch für die kleinen und
mittleren Unternehmerinnen und
Unternehmer. Denn wenn wir
wirklich die Macht der Konzerne
beschränken wollen, geht das nur
im Bündnis mit dem Mittelstand.
Ohne den Mittelstand geht das
nie.
Sie sprachen gerade die AfD an,
hätten Sie die Tendenzen bei
der der letzten Wahl so voraus
gesehen oder waren sie selber
erschrocken?
Nein. Zunächst als sie aufkam,
war mir schon klar, dass sie jetzt
einen Protest bedient, dass sie
die große Zahl der Flüchtlinge
benutzt und das alle Menschen
mit abstrakten Ängsten dann
eben sie auch wählen, einmal
die die arm sind weil sie denken,
wenn es mehr Arme gibt, wird
ihnen etwas entzogen, was falsch
ist, die Hartz IV-Empfängerin hat-
te vorher nicht mehr und hat jetzt
auch nicht weniger, aber trotz-
dem gibt es die Angst. Und dann
die, die etwas besitzen, die haben
Angst in Armut zu verfallen. Das
muss man ernst nehmen. Und
deshalb muss man gegen die
AfD etwas anderes unternehmen.
Zum Beispiel schlägt die AfD ja
vor, dass die Lidl-Kassiererin und
der Vorstandsvorsitzende der
Deutschen Bank den gleichen
Steuersatz auf die Einkommens-
steuer bezahlen, - den gleichen
Steuersatz! die Lidl-Kassiererin
und der Vorstandsvorsitzende
der Deutschen Bank! Also das
hat noch nicht mal die FDP bisher
vorgeschlagen oder die Union.
Das schlägt aber die AfD vor. Und
die AfD schlägt vor, auf gar keinen
Fall auch bei großen Erbschaf-
ten eine Steuer zu erheben, auf
gar keinen Fall eine Vermögens-
steuer zu erheben. Sie will die
gesetzliche Rente weiter kürzen
und Hartz IV auch weiter kürzen.
Das wissen die Leute gar nicht.
Das ärgert mich ja so, weil sie in
den Medien immer nur nach den
Flüchtlingen gefragt werden und
nach keinem anderen Thema. Ich
würde die mal gerne nach den
Themen befragen, damit die Leu-
te wissen, was sie da eigentlich
wählen. Aber sie wählen sie ja
nicht wegen der inneren Struk-
tur sondern aus Protest. Weil sie
eins natürlich wissen, alle ärgern
sich am meisten über die Wahl
der AfD und wenn du alle ärgern
willst, dann wählst du schon des-
halb so.
Frau Dr. Merkel sagte ja, wir
müssen neue Wählerschichten
mobilisieren. Leider schafft das
momentan nur die AfD.
Naja, das liegt daran, dass sie die
konservative Partei sozialdemo-
kratisiert hat und Schröder und
Gabriel haben die SPD entsozial-
demokratisiert.
Gehen sie mal auf die Straße
und bitten sie die Leute zehn
Unterschiede zwischen SPD und
CDU zu sagen! Wenn die auf
zwei kommen, dann geht das
weit. Das ist das Problem, und
deshalb ist am rechten Rand
so viel frei geworden. Deshalb
muss die Union und Oppositi-
on auf Bundesebene geschickt
werden, damit sie einen Teil der
AfD-Wählerschaft integriert und
dann können wir sie auch wie-
der überflüssig machen. Außer-
dem muss dann eine andere
Regierung die sozialen Probleme
lösen.
Wenn die Abgehängten sich
plötzlich mitgenommen fühlen,
wenn es viel weniger prekäre
Beschäftigung gibt und so wei-
ter, dann lösen wir doch auch
Probleme, die dazu führten, dass
Rechts und AfD gewählt wird.
Eine letzte Frage vielleicht
noch: Wir bei uns hier in Baut-
zen haben einen Bürgermeister,
der auch von der Linken gestellt
wurde, der eine sehr libera-
le Asylpolitik fährt, es gibt ja
immer mehr Unruhen zwischen
rechten Gruppierungen und
den linken. Wie sehen sie die
Asylpolitik von morgen?
Ja, er macht einfach eine anstän-
dige Politik, glaube ich. Aber zwei-
tens muss er auch das Geld dafür
bekommen, darum muss er strei-
ten. Außerdem gibt es den besten
Senf der Welt in Bautzen und da
gehört auch ein Linker Bürger-
meister hin, weil wir doch scharf
sind, in gewisser Hinsicht.
Es gibt noch einen weiteren Grund
den wir sehen müssen, wir werden
das Asylproblem nur lösen, wenn
wir die Fluchtursachen bekämp-
fen. Wir müssen den Hungertod
überwinden, weltweit. Wir müs-
sen Not und Elend weltweit über-
winden und wir müssen die Kriege
beenden und dann können wir
mit all diesen Faktoren gut leben,
sonst nicht. Eine Mauer hilft uns
nicht, die wird gestürmt, bricht
zusammen und dann wird die
Situation unbeherrschbar.
Dankeschön, Herr Gysi.
Bitteschön!
Interview: David Brettel | Bilder: Kerstin Kunath
Als Gregor Gysi am 14.September 2016 in Löbau sein Buch „Nachdenken über Deutschland - wie weiter?“
im Gespräch mit Jürgen Rummel vorstellte, traf der FILOU ihn und stellte ihm einige Fragen:
Mit Gregor Gysi im Gespräch
Nach der Veranstaltung musste der beliebte Politiker noch zahlreiche Autogramme schreiben
Gregor Gysi
Wie weiter?
Nachdenken über Deutschland
192 Seiten, brosch., mit Abb.
12,99 €
ISBN 978-3-360-02164-9
auch als E-Book erhältlich:
ISBN 978-3-360-50042-7
Eulenspiegel Verlagsgruppe
Das Neue Berlin
Gregor Gysi
Geboren 1948 in Berlin, seit 1971
Rechtsanwalt, von 1989 bis 1993
Vorsitzender der PDS, von 2005
bis Oktober 2015 Vorsitzender
der Linksfraktion im Bundestag.
FILOU
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